Le Mans 2020 - die "Corona-Edition"

5 LMP1, 24 LMP2, 8 GTE-Pro und 22 GTE-Am stehen zu Beginn der Rennwoche in Le Mans noch auf der Nennliste der 88. Ausgabe des 24 Stunden Rennen von Le Mans an der Sarthe. Die „Corona-Edition“ des Klassikers wird dabei in mancher Hinsicht sehr anders ausfallen. Weniger von der Feldgrösse, die mit nun 59 Wagen gar nicht so klein wie befürchtet ausfällt. Vielmehr wird es einige Besonderheiten geben die dieses Rennen zu einem einmaligen Erlebnis machen werden.

Das die 88.Ausgabe ohne die gewohnten Zuschauermassen von an die 50.000 Zuschauern um die Strecke herum stattfindet ist nur einer der Besonderheiten. Das zuletzt sich immer weiter verschärfende Infektionsgeschehen in Westfrankreich hatte bereits vor einigen Wochen die Entscheidung nach sich gezogen statt einem eingeschränkten Zuschaueraufkommen, bei dem die Fans in definierten Zonen entlang der Strecke eingepfercht werden sollten, nun gänzlich auf Zuschauer zu verzichten.

Die Verlegung auf Mitte September wird dafür die Folge haben das die Nachtphase in Le Mans dieses Jahr so lange wie noch nie in der über 94 jährigen Geschichte des Klassikers dauern wird. Die anfänglichen Befürchtungen das sich dies auch meteorologisch niederschlagen wird, werden derzeit von den Wettervorhersagen zerstreut – es sieht eher so aus als wenn bestes Rennwetter für die Woche angesagt ist.

Was eher augenscheinlich geworden ist ist, das beide Top-Klassen schwächeln. Nur 5 LMP1 - nach 8 im Vorjahr - versprechen jetzt nicht gerade ein nervenaufreibendes Duell um den Sieg. Toyota wird dabei den Schwanengesang der TS050 Hybrid-Boliden einläuten, die nächstes jahr von den neuen Hypercars ersetzt werden sollen. Die 5 LMP1 2020 sind immerhin noch 16% weniger wie die 6 Autos 2017, welche das bisherige „Lowlight“ der LMP1-Szene waren. Vorbei die Zeiten als die Topklasse bis zu 24 Starter anzog (wer erinnert sich? Korrekt – das ist gerade mal 13 Jahre her).

Und auch in den anderen Klassen ist man von blühenden Landschaften weit entfernt. Die GTLM hat als erste unter den geplanten (Abgänge von BMW und Ford) und spontanen (Absage von Porsches und Corvettes 2 Amerikanischen Wagen nach corona-bedingter Kürzung des Werksprogramms) Abgängen leiden müssen und steht wie man munkeln hört angesichts eines sich stetig nach oben enwickelten Kostenrahmens nun für die kommenden Jahre komplett zur Disposition. In der LMP2 hat das Herstelleroligopol zusammen mit einem erzwungenen Einfrieren der Entwicklungsmöglichkeiten nun zu einem Quasi-Oreca-Markenpokal mit lediglich 4 anderen Konkurrenzchassis geführt. Und die GTE-Am mag zwar in diesem Jahr noch von den vor Corona beschlossenen Budgets aus dem Vollen schöpfen können, doch wie es nächstes Jahr dort aussieht traut sich derzeit Niemand vorherzusagen.

Eine der Tatsachen ist: Noch nie waren in Le Mans so wenig Hersteller im Feld vertreten. Lässt man die Fake-Rebrands a la Alpine und Aurus (beides noch nicht mal modifizierte Oreca-Chassis) weg dann sind 2020 lediglich 8 Hersteller – 3 in der LMP1, 2 zusätzliche in der LMP2 und lediglich 3 in der GTE – engagiert. Vorbei die Zeiten als mindestens 20 Hersteller sich im Le Mans Feld tummelten. Le Mans verliert offensichtlich zunehmend die Relevanz für die Automobil- und Rennsportindustrie, da die Hürden für einen Einstieg finanziell und lobbyistisch zu hoch gelegt worden sind – das rächt sich nun da eine richtige Krise die Schwächen des Top-Sport-Ansatzes des ACO schonungslos offen legt.

Da die Gegenwart alles andere als rosig aussieht tröstet allein die Aussicht auf bessere Zeiten die Fans und Berichterstatter. Neben den diese Woche bereits verkündeten LMP1 Umstieg von Alpine und den für Freitag angekündigten Details zum Peugeot-Hypercar-Einstieg ruhen die Hoffnungen derzeit auf den – allerdings nun wegen Corona um ein Jahr verschobenen - LMDh-Programmen die 2023 den Kampf um den Gesamtsieg auf noch mehr Werke verteilen soll. Und Radio Fahrerlager registriert unter den GTE-Teams ein zunehmendes Grundrauschen was den potentiellen mittelfristigen Ersatz der GTE durch die bislang lange vom ACO verpönte GT3-Plattform anbelangt. Auch wenn dazu wenig konkretes und offizelles in der kommenden Woche zu erwarten sein dürfte, könnte dies das spannendste Thema der nächsten Wochen und Monate in Bezug auf die ACO-Szene werden.

Auch von unserer Seite werden wir uns auf ein alternatives Prozedere einstellen müssen. Zum ersten Mal seit 17 Jahren wird kein GT-Eins-Team beim Klassiker vor Ort sein. Wir planen dennoch mit Hilfe der einschlägigen Informationskanäle einen zeitnah aktualisierten Rennbericht auf unsere Seiten hier zu erstellen. Dieser wird wohlmöglich wegen der eingeschränkten Bildauswahl ein etwas anderes Format bekommen, soll es aber wie gewohnt allen interessierten Fans gestatten, den Ablauf des Rennens jederzeit nachvollziehen zu können. Der Link dazu wird rechtzeitig auf diesen Seiten bekannt gegeben werden.

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